"Homo Technicus". Max Scheler und Robert Spaemann in Gespraech

K. H. Wolff, einer der größten Vertreter der phänomenologischen Soziolo-gie, hat in Bezug auf Erkenntnis und Arbeit – das Werk, das die großangeleg-te Überlegung von Max Scheler über die Soziologie und die Philosophie des technischen Wissens einschließt – den Ausdruck Scheler’s Shadow on Us1 benutzt. In einer Zeit „von vielen Namen“, wie O. Marquard sagt, die auch „Zeit der Fremdheit zur Welt und vielleicht, auf Grund dieser Erfahrung von Nicht-Vertrautheit, auch Zeit der Unbestimmtheit, der Kontingenz, des „kategorischen Konjunktivs“ ist, verlängert sich der Schatten von Max Sche-ler als wesentlicher Bezugspunkt auch über unsere postmoderne Kultur. Unsere Zeit übersetzt ihre Unbestimmtheit mit dem Wort „post“, in dem eine spezielle „Sehnsucht von Absolutem“ (G. Steiner) erklingt, und mit dem Robert Spaemann seine Autobiographie (Über Gott und die Welt, 2012) schließt. Er beruft sich ausdrücklich auf das Werk Erkenntnis und Arbeit, insbesondere auf die dort entwickelte Theorie der Wissensformen,die das Bedürfnis reflektieren, die „Anker im Himmel“ (R. Brague) zu finden,die sich als Bezugspunkt für den Aufbau und die Zeugung der Person darbieten können. Dieser Schatten lässt sich in gewisser Weise auch in dergeschichtlich-soziologischen Interpretation sowie der philosophischen Diagnose unserer Zeit von Robert Spaemann spüren. Der kürzlich veröffentlichte Essay Die zwei Interessen der Vernunft, der als ein philosophisches Testament angesehen werden kann, bleibt ihm zufolge eine der Hauptentdeckungen der philosophischen Anthropologie und der kulturellen Soziologie Schelers. Mit Schelers Hilfe möchte Spaemann die Aufgabe bewältigen, die Dialektik zwischen Naturalismus und Spiritualismus zu überwinden, die Spaemann als wichtigsten und problematischsten Kern der Dynamik des Wissens betrachtet und die die Bestimmung der Modernität begleitet. Durch das Zurückgreifen auf Scheler geht also Spaemann ein Stück weiter in seinem Versuch, diesen Dualismus zu überwinden